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Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

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Die fehlenden Puzzleteile zum Schutz von Frauen

Ein
Fachartikel zum
Internationalen Tag
zur Beseitigung
von Gewalt
gegen Frauen

Die fehlenden Puzzleteile
zum Schutz von Frauen

Ein Fachartikel zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

G
ewalt gegen Frauen ist ein globales Problem, eine alltägliche Menschenrechtsverletzung, die uns alle betrifft. Dem ist der jährlich am 25. November stattfindende Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen in besonderer Weise gewidmet. International Justice Mission (IJM) kämpft seit über 20 Jahren gegen verschiedene Formen der Gewalt. Wir wissen: In gemeinschaftlicher, mutiger und konzertierter Anstrengung ist es möglich, Gewalt gegen Frauen zu beseitigen.

Ein Fachbeitrag von Kathleen Klement, Advocacy Managerin bei IJM Deutschland


Gewalt gegen Frauen ist ein strukturelles Problem

Gewalttaten ziehen strafrechtliche Konsequenzen nach sich - so sollte es jedenfalls sein. Für die Mehrheit der Frauen ist das jedoch leider nicht die Realität. Mehr als eine Milliarde Frauen weltweit sind nicht durch das Gesetz vor sexueller Gewalt im häuslichen Umfeld geschützt [1]. Und: ob rechtlich geschützt oder nicht, rund 89.000 Frauen und Mädchen wurden 2022 weltweit ermordet, mehr als die Hälfte von ihnen durch nahe Angehörige wie Intimpartner oder Familienmitglieder – in anderen Worten: jeden Tag werden 133 Frauen und Mädchen im eigenen Zuhause getötet [2]. Auch in Deutschland werden jede Stunde mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt [3]. Das lässt sich nicht ignorieren, das darf nicht ignoriert werden!

Gewalt gegen Frauen ist strukturell. Sie ist nicht auf Einzelfälle, traditionelle Faktoren oder fehlende Gesetze beschränkt, sondern findet gleichsam auf individueller, kultureller und institutioneller Ebene statt [4]. Sie wird körperlich, sexualisiert, psychisch und ökonomisch ausgeübt [5]. Bei einem Besuch unseres IJM Projektbüros in Guatemala von Frauen vor Ort wurde uns dies erneut deutlich. Jackeline Díaz, Leiterin des lokalen Zentrums MAIMI für die ganzheitliche Betreuung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, sagt: „Wir müssen dafür sorgen, dass alle, die Gerichte, Polizei, Staatsanwaltschaft, Ärzteschaft, einfach alle, die Indikatoren dieser Gewaltspirale kennen. Unser Problem jetzt ist, dass viele es als ‘normal‘ ansehen, wenn Männer respektlos mit Frauen umgehen. Wenn ein Mann eine Frau als ‘Schlampe‘ bezeichnet, sinkt die Hemmschwelle dafür, dass er sie als Nächstes schlägt, und wenn er sie schlägt, sinkt die Schwelle dafür, dass er sie totschlägt.“

Damit wird Gewalt gegen Frauen auch zu einem Mittel der Diskriminierung. Sie dient dazu, geschlechtsspezifische Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten. Ohne die wirksame Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen kann es deshalb keine volle Gleichberechtigung der Geschlechter geben [6]. Wir stehen vor einem Puzzle mit vielen Teilen, das niemand alleine fertigstellen kann.

Chronologie der Meilensteine im globalen Kampf gegen Gewalt gegen Frauen

Die wichtigen Randstücke dieses Puzzles hat die internationale Gemeinschaft bereits gelegt:

  • Am 25. November 1960 werden die Schwestern Mirabal ermordet, die sich gegen das Regime des Diktators Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik gewehrt hatten. Dem Mut dieser Frauen gedenken wir jedes Jahr am 25. November. 1999 erklärt die UN-Generalversammlung diesen Tag zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Mehr dazu.
  • 1995 verfasst die Vierte Weltfrauenkonferenz in Peking einen Aktionsplan mit strategischen Zielen und verschiedenen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter. Mehr dazu.
  • 2000 wird die UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit” verabschiedet. Sie markiert einen Paradigmenwechsel: Im Mittelpunkt der Sicherheitspolitik steht nicht mehr der Staat, sondern der Schutz von Frauen und Mädchen und ihre zentrale Rolle in politischen Prozessen und Institutionen bei der Bewältigung und Verhütung von Konflikten. Die Resolution 1325 findet Anwendung in der feministischen Außenpolitik Deutschlands. Mehr dazu.
  • 2005 entsteht die Europaratskonvention gegen Menschenhandel. Menschenhandel, der wie erwähnt auch eine Form von Gewalt gegen Frauen ist, wird nun als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Deutschland unterzeichnet die Konvention im Jahr 2012. Mehr dazu.
  • 2011 wird die Istanbul-Konvention (Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) verabschiedet. Dieses Dokument beinhaltet umfassende Verpflichtungen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, zum Schutz der Betroffenen und zur Bestrafung der Täter/-innen. Deutschland unterzeichnet 2017. Mehr dazu.
  • 2015 wird die Gleichstellung der Geschlechter in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen festgehalten. Unterziel 5 zu Geschlechtergerechtigkeit will „alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen überall auf der Welt beenden“. Mehr dazu.

Von dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit sind wir leider noch weit entfernt [7].

Wie Gewalt gegen Frauen beendet werden kann

Ein entscheidender Schritt, um ihm näher zu kommen, ist es, allen den gleichen Zugang zu Justiz und Rechtssicherheit zu gewährleisten. IJM verbessert gemeinsam mit Regierungen und lokalen Behörden Rechtssysteme, um Gewalt gegen Frauen weltweit zu bekämpfen und ihren Schutz zu garantieren. Wir wollen auf allen Ebenen der strukturellen Gewalt ansetzen:

  • Institutionell, indem wir in unseren Projektländern Akteure des Rechtssystems unterstützen und sie für einen traumasensiblen Umgang mit Betroffenen schulen, während wir die Politik zu konkreten Handlungen auffordern.
  • Individuell, indem wir Betroffene durch Gerichtsprozesse begleiten und rechtswirksame Verurteilungen erreichen, die auch eine abschreckende Wirkung auf andere (potenzielle) Täter haben.
  • Kulturell, indem wir Frauen helfen, sich zusammenzuschließen, für ihre Rechte und Selbstständigkeit einzustehen und ihre Position als gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft einzunehmen.

Dies tun wir in Guatemala, Uganda und Bolivien (zur Studie), außerdem in El Salvador, Kolumbien, Honduras und Peru. Mit einem Fokus auf Menschenhandel engagieren wir uns in Europa und setzen uns auf den Philippinen gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Livestream ein.

Damit ergänzen wir wichtige Puzzlestücke in der internationalen Anstrengung, Frauen weltweit vor Gewalt zu schützen. Weitere Teile müssen von anderen gelegt werden – der Politik, der Zivilgesellschaft, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Wirtschaft.

Meilensteine müssen anerkannt werden, ohne Forderungen fallen zu lassen

Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen betonen wir die bisherigen innen- und außenpolitischen Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland und die internationalen Bemühungen im Kampf für Frauenrechte. Jeder dieser Schritte war und ist entscheidend, um Frauen zu schützen, Gleichberechtigung zu stärken und damit nachhaltig Frieden zu erreichen. So betonen Deutschlands feministische Außen- sowie Entwicklungspolitik den Zugang zu Ressourcen, die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen und Männern sowie die Stärkung der Rechte von Frauen [8].

Dennoch befinden wir uns auf einem Weg, dessen Ende in weiter Ferne zu sein scheint. Als internationale Menschenrechtsorganisation erwarten wir von der Bundesregierung deshalb, dass sie

  • politische Strategien und Maßnahmen fortlaufend auf den EU-Genderaktionsplan 2021-2025 und folgende Beschlüsse ausrichtet und konkreten Handlungen verbindet.
  • in bilateralen Verhandlungen mit Partnerländern Ziele gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder einbezieht und einen besseren Zugang zu Rechtssicherheit fordert.
  • sich in internationalen Organisationen für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen bemüht.
  • alle Ministerien anregt, den programmatischen Fokus auf den Abbau struktureller Ungerechtigkeit zu legen.
  • die finanzielle Implementierung von Maßnahmen zum Schutz von Frauen und Mädchen sicherstellt, insbesondere angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Planung des Bundeshaushalts. Der Schutz von Frauen darf hierunter nicht leiden.

Darüber hinaus schließen wir uns UN WOMEN an und fordern von der Deutschen Bundesregierung eine politische Gesamtstrategie, die u.a. folgende Elemente beinhaltet: einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen, konkrete Maßnahmen zur Gewaltprävention vom Kindesalter an sowie verpflichtende Fortbildungen und Trainings für alle Berufsgruppen, die in Kontakt mit Betroffenen von Gewalt oder Tätern kommen, wie etwa Justiz und Polizei [9].

An Tagen wie heute gedenken wir nicht nur mutigen Frauenrechtler/-innen, sondern schauen hoffnungsvoll auf die Vielfalt von wirkmächtigen Akteur/-innen. Jede und jeder kann ein Puzzlestück beisteuern, um Frauen und Mädchen nachhaltig zu schützen.

Quellen

[1] Worldbank 2018, S. 7
[2] UN, 2023, S. 3
[3] Bundeskriminalamt, 2022, S. 10
[4] Medica Mondiale, 2023
[5] UN WOMEN, 2023
[6] Deutsches Institut für Menschenrechte, 2019
[7] UN WOMEN, 2022
[8] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2023, S. 22; Auswärtiges Amt, 2023, S. 11
[9] UN WOMEN, 2023

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