n einem unserer ersten Fälle von Arbeitssklaverei in Indien befragte ein verdeckter IJM Ermittler den Besitzer einer Ziegelei. Der erklärte, dass alle seine Arbeiter bei ihm verschuldet sind. Unser Ermittler fragte, was geschehe, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter ihre Schulden abgearbeitet haben oder einfach gehen. Der Mann lachte: „Keine Sorge, das wird nicht passieren. Es geht nicht um die Schulden. Es geht darum, dass ich sie kontrollieren kann. Sie können nicht gehen.“ Selbstbewusst schob er nach: „So betreibe ich meine Ziegelei seit 25 Jahren.“
Gerechtigkeit für Menschen
in extremer Armut ist möglich –
Täterinnen und Täter werden gestoppt!
„Tausende befreien, Millionen schützen, Recht für Menschen in Armut durchsetzen!“ So lautete unsere Vision in den vergangenen zehn Jahren. Eine Vision darf groß sein und ohne Zweifel war sie das damals für uns. Das zeigt auch das Beispiel aus Indien: Der Ziegeleibesitzer wurde nach vielen Anläufen von IJM vor Gericht verurteilt, jedoch lediglich zu einer Geldstrafe von wenigen US-Dollar. Der Mann lachte, als er das Geld den Richtern hinwarf. IJM zog den Mann, der sofort wieder Menschen versklavte, erneut vor Gericht. Der Fall endete mit einer fünfjährigen Haftstrafe – dieses Urteil war für das Rechtssystem historisch und veränderte die Rechtsprechung. Seither konnte IJM in Zusammenarbeit mit den Behörden Hunderte Täterinnen und Täter stoppen.
Über 95.700 Menschen befreit –
jede einzelne Person zählt!
Viele Geschichten wie diese zeigen, dass unsere Vision wahr geworden ist: Der Zugang zu Recht für Menschen, die in extremer Armut in dieser Welt leben, ist möglich. Zusammen mit vielen kooperierenden Institutionen sowie Unterstützerinnen und Unterstützern freue ich mich zutiefst über die Gesichter, Namen und Geschichten von 95.700 Menschen, die IJM seit unserer Gründung mit lokalen Behörden weltweit aus Ausbeutung und Gewalt befreien konnte! Orte wie die Großstadt Cebu City auf den Philippinen waren einst dafür bekannt, dass Kinder offen auf der Straße für Sex angeboten wurden. Gemeinsam konnten wir innerhalb von vier Jahren die Anzahl der Kinder im Sexgewerbe um 72 Prozent reduzieren. Das bestätigte eine unabhängige Studie der Bill und Melinda Gates Stiftung. Entscheidend für den Erfolg waren signifikante Verurteilungen von Straftäterinnen und Straftätern, die ein „Klima der Straffreiheit“ beendeten und potenzielle Täterinnen und Täter abschreckten. So wurde das Rechtssystem zum starken Fürsprecher für Menschen in extremer Armut.
Noch immer beuten Sklavenhalterinnen und Sklavenhalter Millionen
Menschen aus – das muss aufhören!
In den letzten Jahren haben wir unser geprüftes Arbeitsmodell weiterentwickelt, damit es multiplizierbar ist für andere. Nur gemeinsam können wir nachhaltig Veränderung bewirken und Sklaverei beenden. Ein Ende von Sklaverei ist dringend, denn Sklavenhalterinnen und Sklavenhalter wie jener Ziegeleibesitzer versklaven in vielen Regionen der Welt immer noch Millionen Menschen. So agieren Kriminelle alleine oder in international organisierten Banden und machen jedes Jahr um die 236 Milliarden US-Dollar Profit mit Menschenhandel und Sklaverei.
Ohne Zugang zum Rechtssystem gibt es keine nachhaltige Entwicklung
Vor allem Menschen in extremer Armut leiden unter dieser Situation. Doch die Folgen davon, dass Rechtssysteme nicht funktionieren, reichen noch weiter: Unternehmen, die nachhaltig und fair produzieren möchten, tun sehr viel, um Sklaverei in ihren Lieferketten zu reduzieren. Ausschließen aber können sie ausbeuterische Produktionsverhältnisse letztlich nicht, weil sie Kriminelle wie den Ziegeleibesitzer nicht aufhalten können. Entwicklungsprogramme entfalten nicht ihre volle Wirkung, wenn sie Krankenhäuser und Schulen bauen für Menschen in extremer Armut, die allerdings in einer Ziegelei versklavt sind und das Gelände nicht verlassen dürfen.
IJMs neue Vision bis 2030
Wir träumen davon, dass Sklaverei gestoppt wird – und für immer vorbei ist. Daher haben wir unsere neue Vision im Einklang mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen 8.7. und 16 der Vereinten Nationen formuliert:
Entscheidend ist für uns dabei, die kritisch-konstruktive Partnerschaft von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, wie es auch das Nachhaltige Entwicklungsziel 17 fordert. Mit diesem Grundgedanken wurden die Ziele hinter der Vision formuliert:
- Millionen Menschen aus Sklaverei und anderen Gewaltsituationen befreien – zusammen mit von uns geschulten Partnern, die unser geprüftes Arbeitsmodell anwenden.
- Eine halbe Milliarde Menschen vor Gewalt schützen, indem wir gemeinsam mit den Behörden Rechtssysteme stärken, um Täterinnen und Täter strafrechtlich zu verfolgen. Dadurch werden potenzielle Täterinnen und Täter abgeschreckt und potenzielle Betroffene oder gefährdete Personen geschützt.
- Wir beraten Unternehmen und Politik, wie sie in einzelnen Branchen und Regionen das Problem der Gewalt gegen Menschen in Armut bekämpfen können.
- Zusammen mit globalen Institutionen, Entwicklungsorganisationen und Großunternehmen generieren wir mehr Ressourcen und Einfluss im Kampf gegen Sklaverei (vgl. Nachhaltiges Entwicklungsziel 17)
- Durch die wissenschaftliche Evaluierung unserer Projekte prüfen wir regelmäßig ihre Wirkung, um kontinuierlich zu lernen. Auf dieser Basis werden Projekte weiterentwickelt.
- Wir mobilisieren eine weltweite Bewegung von Spendenden, Ehrenamtlichen, Aktivistinnen und Aktivisten um die Bekämpfung von Sklaverei zu einem dringenden Anliegen der Gesellschaft zu machen.
Ein wichtiger Schritt für IJM als globale Organisation ist, unsere Struktur an die Vision und ihre Ziele anzupassen. Dabei wagen wir den Schritt von einer eher zentralisierten zu einer regional-lokalen Struktur, um unseren partizipativen und stärkenden Ansatz vor Ort noch mehr leben zu können.
Danke, dass Du dabei bist!
Dies sind große Veränderungen für IJM. Ich freue mich auf jeden dieser einzelnen Schritte, die zu unserem gemeinsamen Ziel führen: Sklaverei zu beenden! Danke für Deinen Beitrag und, dass Du mit uns auf dem Weg bist!
Dieser Artikel wurde am 11.09.2024 aktualisiert.