Kashi* erduldete als Haussklavin in Kalkutta mehr als zehn Jahre lang körperliche, seelische und sexuelle Misshandlung. Gefangen in Dunkelheit, dachte Kashi, dass ihr Leben zu Ende sei. Doch Mitarbeiter von IJM fanden sie in einem Bordell in Kalkuttas größtem Rotlichtbezirk. Mit ihren Ermittlungen ermöglichten sie Kashis Befreiung.
Wie findet IJM vermisste Personen?
Weltweit ermöglichen die Nachforschungen unserer Mitarbeiter, verschleppte Personen aufzufinden und entscheidende Beweise zu sichern. Auf dieser Grundlage kann es gelingen, Menschen wie Kashi in enger Zusammenarbeit mit Polizei und Behörden aus Sklaverei und anderen Formen massiver Gewalt zu befreien.
Auf der Suche nach Opfern von Menschenhandel, Gewalt und Sklaverei wird IJM auf verschiedene Weise auf Fälle aufmerksam. Erste Anhaltspunkte können Vermisstenmeldungen liefern, die von Angehörigen einer verschwundenen Person ausgeben werden.
Auch Partnerorganisationen, mit denen IJM weltweit zusammenarbeitet, greifen Fälle vermisster, verschleppter und ausgebeuteter Menschen auf und leiten Hinweise an unsere Projektbüros weiter. Oftmals bearbeitet auch die lokale Polizei einen bestimmten Fall und bittet IJM um unterstützende Mitarbeit.
Ermittlungsarbeit im Rotlichtmilieu – eine Spur führt zu Kashi
In Kashis Fall jedoch gab es niemanden, der nach ihr suchte. Erst zwei Mitarbeiter des IJM Büros in Kalkutta wurden auf das Mädchen aufmerksam. Während routinemäßiger Ermittlungen suchten sie nach Hinweisen auf minderjährige Mädchen oder junge Frauen, die in Sonagachi, dem größten Rotlichtbezirk der Stadt, sexuell ausgebeutet werden.
Kashi fiel auf, da sie offensichtlich sehr jung war. Im Gegensatz zu vielen der anderen Frauen in Sonagachi wirkte sie verängstigt und war ganz anders gekleidet. Indizien, welche die beiden IJM Mitarbeiter veranlassten, mehr über das Mädchen in Erfahrung zu bringen zu wollen.
Beweise sichern für eine Befreiung
„Wir gaben vor, Interesse an einer Tanzvorführung von Kashi zu haben. Der Preis dafür war mit 4000 Rupien (etwa 45 Euro) etwa doppelt so hoch wie üblich. Für uns ein Indiz dafür, dass das Mädchen in dem Bordell neu war und, dass sie minderjährig sein musste,“ so Ermittler P., der die Nachforschungen in Kashis Fall leitete.
Am nächsten Tag sprachen die beiden IJM Mitarbeiter Kashi selbst in dem Bordell an. „Sie sah kaum älter aus als 15 oder 16. Wir stellten eher beiläufige Fragen, um mehr über sie herauszufinden,“ erzählt Ermittler P. „Sie war es nicht gewohnt, längere Gespräche zu führen. Aber wir konnten an entscheidende Informationen gelangen und Einzelheiten darüber erfahren, wie lange sie schon dort war.“
Das IJM Büro legte die Ergebnisse der Ermittlungen sowie die sichergestellten Beweise der Polizei vor. Innerhalb weniger Tage gelang es, in Zusammenarbeit mit den Behörden eine Befreiungsaktion zu planen, um Kashi in Sicherheit zu bringen.
Kashi ist verschwunden – scheitert die Befreiung?
An einem belebten Freitagabend schickte die Polizei mit Unterstützung von IJM mehrere Teams zu dem Bordell, in dem Kashi gefangen gehalten wurde. Besonders wichtig war die genaue Überwachung der zahlreichen Ein- und Ausgänge des Gebäudes.
„Mädchen, die neu in ein Bordell gebracht werden, müssen sich meistens in einem gesonderten Bereich aufhalten. Bemerken die Zuhälter, dass etwas nicht stimmt, sind die Mädchen innerhalb einer Minute von dort verschwunden,“ weiß Ermittler P.
Und so kam es auch in dieser Nacht. Nachdem sich die Polizei zu dem Bordell Zugang verschafft hatte, war Kashi nirgends zu finden. Die Durchsuchung des Gebäudes verlief ergebnislos und die Einsatzkräfte waren kurz davor, wieder abzurücken.
Erst im letzten Moment erblickte eine IJM Mitarbeiterin aus dem Augenwinkel eine kleine, zierliche Hand hinter einem Vorhang. Es war Kashi, die dort versteckt worden war, kurz bevor die Polizei eintraf.
Hoffnung und Vertrauen auf ein besseres Leben
Vollkommen verängstigt wurde Kashi aus dem Bordell gebracht und in die Obhut einer IJM Sozialarbeiterin übergeben. Kashi war in Sicherheit und wurde in unserem Nachsorgeprogramm aufgenommen. Hoffnung und Vertrauen, dass sich ihr Leben ändern würde, konnten zu ihr zurückkehren. Es war der erste Schritt auf einem langen Weg zu ihrer Heilung.
(*Zum Schutz der Persönlichkeit verwenden wir Pseudonyme. Auch die Bilder zeigen nicht Kashi, um ihre Identität zu schützen.)