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Meinung: WM in Katar - Gucken oder nicht?

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WM in Katar:
Gucken oder nicht?
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Dietmar Roller mag Fußball - wie die meisten Deutschen. Doch dieses Jahr geht es vielen nicht vor allem um den Sport. Im Fokus stehen Missstände im Gastgeberland Katar wie Arbeitssklaverei und Korruption. Sollten wir die Spiele überhaupt ansehen oder besser von zu Hause aus boykottieren? Was IJMs Vorstandsvorsitzender während der Spiele macht und welche Frage er entscheidend findet:

Sklaverei weit verbreitet bei Gastarbeitenden

Weltweit zählen Arbeitsmigrantinnen und -migranten zu den am stärksten gefährdetsten Menschen von Sklaverei. Sie verlassen ihre Heimat, ihre Familie und soziales Umfeld und arbeiten in der Fremde mit Menschen, deren Sprache sie meist nicht sprechen und in deren Land sie sich nicht auskennen. Allein diese Situation macht sie anfällig, Opfer von Ausbeutung und Gewalt zu werden.

Im Nahen Osten arbeiten Millionen Gastarbeitende aus Ländern des globalen Südens in Haushalten, in der Tourismusbranche und auf dem Bau - zuletzt auch auf den vielen WM-Baustellen in Katar. Es ist eine lange Tradition, dass Gastarbeitende durch eine Art Bürgschaftssystem (Kafala) eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeit bekommen. Das bedeutet, dass die Arbeitergebenden als Bürgen für die Gastarbeitenden sie überwachen, und ihre Pässe einbehalten.

Klagen wegen Ausbeutung oder Missbrauch gibt es folglich fast nie, denn in jedem Streitfall sind die Arbeitgebenden als Bürgen die Stärkeren und die Arbeitenden riskieren ihren Arbeitsplatz und ihr Aufenthaltsrecht. Diese Umstände betreffen vor allem Gastarbeitende, die als einfache, oft auch ungelernte Arbeitskräfte kommen und niedrig bezahlt werden. Zwar hat die Regierung in Katar das Kafala-System vor einigen Jahren offiziell abgeschafft, die Rechte der Arbeitsmigrantinnen und -migranten gestärkt und damit viele Forderungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) auf dem Papier erfüllt, doch die Reformen setzen sich nur unzureichend durch.

Die wenigen Berichte von ausgebeuteten Gastarbeitenden sind zutiefst erschreckend. Die geschätzten Todeszahlen von Gastarbeitenden in Katar seit der Vergabe der WM sind alarmierend - und dass genaue Zahlen und Zuordnungen zu Branchen sowie Daten zu den Todesursachen weitgehend fehlen. Die Fertigstellung der Stadien war offensichtlich wichtiger als die Leben derer, die sie erbauten. Zurecht muss deshalb die Frage gestellt werden, ob Länder, die solche Formen der Arbeitsausbeutung nicht entschlossen bekämpfen, eine Weltmeisterschaft ausrichten dürfen.

FIFA als Weltverband hat menschenrechtliche Verantwortung

Ich denke nicht, dass die WM nur in sehr ausgewählten demokratischen Ländern stattfinden sollte, aber ich fordere von der FIFA, proaktiv WM-Länder in der Achtung der Menschenrechte zu fordern und zu fördern. Die FIFA ist ein Weltverband und damit in der Verantwortung, die Menschenrechtserklärung - das einzige ethische Fundament, das wir global haben - zu achten. Wenn die Geldgier größer ist als die Achtung der Menschenrechte, ist das bezeichnend und sehr enttäuschend.

Nach den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte ist Katar als Staat zu der Abschaffung aller ausbeuterischen Systeme verpflichtet. Die FIFA sollte als Auftraggeber jedoch mehr Druck, Kontrolle und Rahmenbedingungen aufstellen, gerade in Bezug auf Menschenrechte beim Bau von Stadien und der gesamten Infrastruktur für die WM. Denn trotz einigen Reformen, guten Willens und freiwilliger Initiativen ändert sich seit der Vergabe zu wenig an den ausbeuterischen Systemen.

Ich hätte mir zum Beispiel gewünscht, dass die FIFA nach der Vergabe an Katar einen Ausschuss gebildet hätte, in dem auch Nichtregierungsorganisationen sitzen und die Menschenrechtssituation im Land beobachten und Veränderungsprozesse mitbegleiten. Ein solcher Ausschuss hätte anregen können, Rechtszentren für Arbeitsmigratinnen und -migranten zu gründen, in denen sie auf ihrer Sprache rechtlich beraten werden. Auf rechtlicher Ebene Veränderungen anzustoßen, wie geschehen, ist ein sehr wichtiger Schritt, doch entscheidend ist als nächster Schritt, dass die Arbeitenden auch Zugang zu ihren Rechten bekommen.

Nicht länger wegsehen

Was mich ärgert, ist das ignorante Wegsehen verantwortlicher und einflussreicher Akteure im Fußball seit Jahren. Franz Beckenbauer sagte im November 2013 zur Situation in Katar: „Also, ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei rum.“ Damit wies er Aussagen von Amnesty International zurück, die auf die Missstände in Katar schon damals aufmerksam machten.

Beckenbauer hat zurecht viel Kritik für seine Aussage bekommen, doch noch immer äußern sich prominente Stimmen aus dem Sport nicht oder zu wenig kritisch gegenüber den offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen im Land.

Auch viele Fußballer möchten sich nicht äußern oder betonen, dass sie einfach nur Sport machen. Natürlich ist der Sport im Vordergrund bei ihnen, doch sie sind Personen des öffentlichen Lebens und als solche erwarte ich eine bejahende Haltung zu den Menschenrechten, und dass diese vor allem anderen Priorität haben sollten.

Was ich während der WM-Spiele mache

Zahlreiche Fußballfans und Kneipenbetreibende, die die Spiele kritisieren und sogar boykottieren, dagegen beweisen moralische Größe, die ich woanders vermisse. Was für ein wichtiges Momentum gegen Ausbeutung, Korruption und für Menschenrechte! Von dieser Bewegung bin ich Teil. Ob jemand die Spiele guckt oder nicht, sei ihre oder seine Entscheidung. Es kommt auf unsere Haltung an. Ich selbst werde wahrscheinlich hier und da mal in ein Spiel reingucken - und dann in der 28. Minute abschalten. Die Kampagne #stop28 lädt alle ein, die die Spiele gucken, in der 28. Minute für eine Minute das Spiel zu unterbrechen und auf Social Media auf die weltweit 28 Millionen Menschen in Arbeitssklaverei aufmerksam zu machen.

Das Problem Sklaverei ist größer als Katar

Denn wichtiger als jeder Boykott und jede Kritik an der WM in den nächsten Wochen ist unsere dauerhafte Solidarität mit den vielen Menschen, die weltweit in Sklaverei festgehalten werden. Arbeitssklaverei gibt es auch in Europa und mitten in Deutschland - auf dem Bau, in Schlachtbetrieben, in der Logistik und in vielen Dienstleistungsberufen. Auch hier gehören Menschen nicht mehr sich selbst, sondern werden gewaltsam festgehalten.

Unser Aufstand und Protest gegen Arbeitssklaverei in Katar sind wichtig und richtig, aber sie dürfen dort bitte nicht aufhören. Das wäre scheinheilig. Nutzen wir das Momentum jetzt, um das größere Problem, Sklaverei weltweit, in den Blick zu nehmen, uns zu informieren und Veränderungen anzustoßen? Wenn die WM dafür der Kick-off ist, dann haben wir das Beste aus der Situation gemacht.

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