Quick-Freeze nicht der erhoffte Quick-Fix

Viel zu lange diskutiert die deutsche Politik darüber, ob und wie personenbezogene Daten im Internet zur Aufklärung von Straftaten gespeichert werden sollen. Nun scheint sich die Koalition geeinigt zu haben: Die IP-Adressen-Speicherung soll zugunsten des Quick-Freeze-Verfahrens fallen gelassen werden.

Wie Medien berichten, soll Bundeskanzler Scholz gegen den Willen von Innenministerin Faeser einem Kompromiss zugestimmt haben, welcher den Weg für das Quick-Freeze-Verfahren frei macht. Dieser Kompromiss ist ein Rückschlag für die effektive Ermittlung von schwersten Straftaten gegen Kinder! Die Ampel versäumt dadurch ein Zeichen zu setzen, dass das Wohl von Kindern eine Priorität ist und der Kinderschutz zu stärken gilt. Was nach Justizminister Buschmann eine gute Nachricht für Bürgerechte wäre, ist für alle Ermittlerinnen und Ermittler, die um Kinderschutz bemüht sind, lediglich ein unzureichendes Trostpflaster!

Es ist einfach unverständlich wie liberale Politiker:innen gegen den ausdrücklichen Willen aller Personen, die in der Strafverfolgungspraxis für Kinderschutz und Terrorismusbekämpfung arbeiten und auf eine Speicherung von IP-Adressen angewiesen sind, so ein Verfahren durchbringen. Quick-Freeze reicht nicht: Wo nichts mehr gespeichert ist, kann auch nichts eingefroren werden. Wer im Zusammenhang mit IP-Adressen-Speicherung noch von Massenüberwachung redet, hat offensichtlich die aktuelle Rechtslage nicht verstanden und auch kein Interesse an effektivem Kinderschutz!


Quick-Freeze ist keine echte Alternative

Daten wie z.B. IP-Adressen sind für die Ermittlung von Sexualstraftaten im Internet unerlässlich. Ermittlungen im digitalen Raum sind aufwendig und nehmen viel Zeit in Anspruch. Grund dafür ist, dass es sich z.B. bei der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet um ein internationales Verbrechen handelt, sodass Ermittlungen und Hinweise oft aus dem Ausland kommen und andere Behörden beteiligt sind. Ziel muss es sein die Strafverfolgungskooperation zu verbessern um Hinweisen so zeitnah wie möglich nachzugehen. Zwischenzeitlich braucht es die IP-Adressen Speicherung um sicherzustellen, dass Missbrauchsdarstellungen effektiv zurückverfolgt, Betroffene lokalisiert und Täter:innen ermittelt werden können!

Dass sich die Ampel-Koalition nun für das Quick-Freeze-Verfahren statt für eine IP-Adressen-Speicherung entschieden hat, ist aus kinderrechtlicher Perspektive sehr fragwürdig.

So schreibt das Bundeskriminalamt (BKA) zum Quick-Freeze-Verfahren: “Daten beim Anbieter können nur zu bereits bekannten Anschlussinhabern eingefroren werden. Für die Identifizierung eines noch unbekannten Tatverdächtigen selbst bietet das Quick-Freeze-Verfahren keinen Nutzen, sofern die relevanten Daten zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens nicht mehr oder unvollständig gespeichert sind.” Das bedeutet konkret: Wo nichts mehr gespeichert ist, kann auch nichts eingefroren werden. So schreibt das BMJ ironischerweise selbst in einem Q&A zum Quick Freeze Verfahren, dass zur Aufklärung von Straftaten bestimmte Daten bei Anbietern noch vorhanden seien müssen. In Kenntnis dieser Tatsache ist nicht nachvollziehbar, wie die FDP und Justizminister Buschmann zu dem Schluss kommen, dass ein solches Verfahren die beste Möglichkeit ist schwere Straftaten wie Kindesmissbrauch effektiv aufzuklären!

In einer Anhörung im Rechtsausschuss verwies Martina Link (Vizepräsidentin BKA) darauf, dass selbst eine 14-tägige Speicherung von IP-Adressen die Chance zur Identifizierung des Urhebers z.B. von Missbrauchsdarstellungen, von jetzt 41 auf 80 Prozent verdoppeln würde. Besonders die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet ist ein schweres Verbrechen und Betroffene sind darauf angewiesen, dass Ermittlungsbehörden effektive Aufklärungsarbeit leisten können. Menschenhändler:innen beuten Kinder aus und verkaufen die aufgenommenen Missbrauchsdarstellungen an Sexualstraftäter:innen. Durch IP-Adressen können Täter/innen lokalisiert und betroffene Kinder entdeckt werden.

Das Quick-Freeze Verfahren ist eine gutes Ermittlungstool, es ersetzt aber nicht die Speicherung von IP-Adressen. Die Strafverfolgungspraxis zeigt, dass wir nicht ohne auskommen. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Polizeibehörden gut arbeiten können um Kinder zu schützen!

Missverständnisse des Justizministeriums

Die UN-Kinderrechtskonvention legt fest, dass Kinder und Jugendliche das Recht haben, vor Gewalt und allen Formen der Ausbeutung geschützt zu werden. Dieses Recht gilt auch im digitalen Raum! In der Abwägung von wirksamen Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt sind Kinderrechte als hohes Rechtsgut zu berücksichtigen. Nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit muss das mildeste, bestgeeignetste Mittel gefunden werden um Kinder zu lokalisieren, Sexualstraftäter:innen zu ermitteln.

Die Darstellung der FDP und des Justizministeriums sind verkürzt! Es ist bedauerlich, dass hier das Narrativ verbreitet wird, dass die IP-Adressen-Speicherung nicht Grundrechtskonform sei oder die digitalen Bürgerrechte dadurch gefährdet seien. Das ist schlicht und einfach falsch!

Das Bundesjustizministerium hebt wiederholt hervor, dass die Vorratsdatenspeicherung eindeutig gegen die europäischen Grundrechte verstoße und das Quick-Freeze-Verfahren das effektivere und rechtsichere Instrument sei. Dabei wird verschwiegen das es in der Abwägung nicht um eine Vorratsdatenspeicherung, sondern um eine IP-Adressen-Speicherung ging, welche von Strafverfolgungsbehörden als besseres Instrument identifiziert wurde und nach dem Urteil des EUGH vom April 2022 genauso verfassungskonform und grundrechtsschonend ist wie das Quick-Freeze-Verfahren. Verkehrsdaten, die bei einer anlassbezogenen Sicherungsanordnung gespeichert werden, gehen sogar weit über die IP-Adresse hinaus und die Übermittlung von zuvor gespeicherten IP-Adressen würde ebenfalls einer gerichtlichen Anordnung unterliegen, wodurch die richterliche Überprüfung ebenso gewährt bleibt.

Wir dürfen nicht darauf warten, bis die Praxis offenbart, dass wir mehr tun müssen, um Kinder zu schützen und unseren Strafverfolgungsbehörden effektive Ermittlungen zu ermöglichen! Dafür brauchen wir eine einheitliche Speicherung von IP-Adressen inkl. Portnummer für mindestens zwei bis vier Wochen!

Hinter allen Missbrauchsdarstellungen im Internet stehen reale Kinder, die sexuell ausgebeutet wurden und weiterhin werden, wenn wir nichts daran ändern. Jedes einzelne dieser Kinder hat ein Recht auf Schutz!

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