25 Jahre Haft für Missbrauch per Livestreaming von hunderten Mädchen
Sexuelle Online-AusbeutungBerlin (01.11.2024) – Gestern befand ein Pariser Gericht den 59-jährigen französischen Staatsbürger der Beihilfe zur Vergewaltigung und sexuellen Nötigung von Minderjährigen für schuldig und verurteilte ihn zu insgesamt 25 Jahren Gefängnis. In diesem Fall ging es um das Livestreaming sexueller Übergriffe auf Kinder, von denen einige gerade einmal fünf Jahre alt waren. Die Nichtregierungsorganisation International Justice Mission (IJM) fordert Tech-Unternehmen und Finanzdienstleister auf, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um solche Gräueltaten auf ihren Plattformen, Apps und Geräten zu verhindern.
Der ehemalige Disney- und Pixar-Grafiker steht seit Dienstag vor Gericht, weil er zwischen 2012 und 2021 philippinische Frauen dafür bezahlt hat, Mädchen im Alter von fünf bis zehn Jahren vor einer Webcam zu vergewaltigen und sexuell zu missbrauchen. Angebahnt hatte er den Kontakt über Dating- und Erotikplattformen für Erwachsene. Um den Missbrauch in Echtzeit zu verfolgen und Anweisungen zu geben, nutze er weit verbreitete Messenger und Live-Streaming-Plattformen. Zwischen 50 und 100 € soll der Franzose für die Übertragungen gezahlt haben, insgesamt zahlte er etwa 50.000 € für das Verbrechen. Durch diese Überweisungen wurde Europol schließlich auf ihn aufmerksam.
Dass der Mann über neun Jahre lang Kinder sexuell ausbeuten konnte, ohne entdeckt zu werden, macht deutlich, dass Technologieplattformen und Finanzinstitute bei der Aufdeckung und Meldung von sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern im Internet (OSEC) versagt haben. Dieser Fall zeigt alarmierende Lücken in Technologie- und Finanzsystemen auf, die sicher gestaltet sein sollten, um gefährdete Kinder zu schützen und Ausbeutung zu verhindern. Gleichzeitig zeigt der Fall auf, dass die Zusammenarbeit mit Finanzdienstleistern und deren Berichte über verdächtige Zahlungen einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Kindern leisten können!
„Dieser Fall offenbart das systematische Versagen von Technologie- und Finanzunternehmen, die Ausbeutung von Kindern auf ihren Plattformen zu stoppen. Frankreich, die Europäische Union und Nationen auf der ganzen Welt haben die Macht – und die Verantwortung – robuste Online-Sicherheitsgesetze zu erlassen, die von Tech-Unternehmen verlangen, sexuellen Missbrauch von Kindern auf ihren Plattformen, Apps und Produkten zu melden oder zu verhindern. Auch Finanzinstitute müssen in die Pflicht genommen werden, verdächtige Finanztransaktionen im Zusammenhang mit Ausbeutung zu blockieren“, sagte John Tanagho, Executive Director des IJM Center to End Online Sexual Exploitation of Children. „Geringe, unregelmäßige Zahlungen von einem Absender an viele Empfänger sind ein typisches Muster für Zahlungen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung von Kindern. Insbesondere für das, was Europol als ‚Live-Distanz-Kindesmissbrauch‘ bezeichnet, der “Hauptform der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern und eine Hauptquelle für unbekannte Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs”. Finanzinstitute müssen einen höheren Standard beim Schutz von Kindern einhalten und eine verstärkte Sorgfaltspflicht anwenden, um diese Zahlungen zu unterbinden und zu blockieren“, führt er aus.
„Neben der strafrechtlichen Verfolgung von Online-Sexualstraftätern ist eine branchenweite „Safety by Design“-Reaktion des Technologie- und Finanzsektors von entscheidender Bedeutung, um Missbrauch und Ausbeutung im Vorfeld zu verhindern und zu unterbinden “, so Tanagho weiter. „Und sie muss auch die Gerätehersteller einbeziehen, denn Smartphones, auf denen hochentwickelte Betriebssysteme laufen, haben keinerlei Sicherheitsvorkehrungen eingebaut, um die Produktion, das Streaming und die Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu verhindern.“
Auf den Philippinen setzt sich IJM dafür ein, dass die Regierung bestehende Gesetze zum Kinderschutz konsequent durchsetzt. Dies beinhaltet auch die Verpflichtung für Technologieplattformen, Kindesmissbrauch zu überwachen und zu bekämpfen. Gemeinsam mit lokalen Behörden arbeitet IJM an der effektiven Strafverfolgung zur Identifizierung von Betroffenen, Verfolgung von Täterinnen und Tätern sowie einem umfassenden, national koordinierten Ansatz, um die institutionellen und rechtlichen Schutzmaßnahmen für Kinder zu verbessern.
Sexueller Missbrauch von Kindern per Livestream ist ein schnell wachsendes globales Problem und auf den Philippinen nach wie vor weit verbreitet. Die nationale Prävalenzstudie Scale of Harm von IJM schätzt, dass allein im Jahr 2022 fast eine halbe Million philippinischer Kinder – oder eines von 100 – Opfer von OSEC, einschließlich des Missbrauchs per Livestream, geworden sind.
IJM hat die philippinischen Behörden dabei unterstützt, mehr als 1.400 Kinder vor Missbrauch in Sicherheit zu bringen. Nach früheren Studien von IJM sind mehr als die Hälfte der Kinder, die in den von uns bearbeiteten Fällen missbraucht wurden, 12 Jahre alt oder jünger, wobei die jüngsten erst wenige Monate alt sind. In mehr als 80 Prozent dieser Fälle wurden die Kinder von ihren Eltern oder Verwandten missbraucht. Die Kinder erleiden durch diesen Missbrauch erhebliche psychische und physische Traumata.
Die Nachfrage nach dieser Art des Missbrauchs wird durch Täter aus der ganzen Welt befeuert, auch aus Europa. „Wir begrüßen dieses deutliche Urteil aus Frankreich! Es zeigt einmal mehr, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet von Tätern bezahlt und angeleitet wird, die hier unter uns leben“, sagt Dietmar Roller, Vorstandsvorsitzender von IJM Deutschland. „Der bezahlte Missbrauch von Kindern per Livestream ist eines der perfidesten Verbrechen der heutigen Zeit. Anders als in Frankreich ist diese Form der sexuellen Ausbeutung hier in Deutschland nur lückenhaft erfasst.“ IJM Deutschland hatte in der Vergangenheit bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um die Lücken im Strafgesetzbuch zu schließen und setzt sich aktuell auf EU-Ebene für eine angemessene Definition und ein angemessenes Strafmaß ein. „Hier geht es nicht nur um angemessene Strafen und Ausgleich für Betroffene, sondern auch darum, dass Strafverfolgungsbehörden dieses Verbrechen auf dem Schirm haben müssen.“
Der philippinische Rat zur Bekämpfung der Geldwäsche (AMLC) hat 2023 angegeben, dass Deutschland in einer weltweiten Rangliste der Länder mit den meisten verdächtiger Zahlungen im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung von Kindern im Internet, an sechster Stelle steht. „Wir wissen, dass schrecklicher Missbrauch auf den Philippinen mit deutschem Geld bezahlt wird, die Frage ist: Wann sind wir bereit etwas dagegen zu tun?“ sagt Roller und fügt hinzu „Manchmal sind die Finanzdienstleister schon weiter als die Politik… wir brauchen dringend einen rechtlichen Rahmen der Finanzdienstleister verpflichtet und es ihnen gleichzeitig auch ermöglicht gegen OSEC vorzugehen.“
"Dieser Fall in Frankreich ist ein Beispiel dafür, wie globale Bemühungen zum Schutz von Kindern in verschiedenen Sektoren ansetzen müssen. Kinder verdienen mehr als nur Gerechtigkeit im Gerichtssaal – sie verdienen eine Welt, in der die Technologie- und Finanzbranche nicht länger den sexuellen Missbrauch, die Ausbeutung und den Handel mit Kindern ermöglicht, sondern sich aktiv für den Schutz der Kinder einsetzt “, sagte Tanagho.