Nairobi - Brutale Misshandlungen und widerrechtliche Inhaftierungen durch korrupte Polizisten sind in Kenia bittere alltägliche Realität für Menschen in Armut. IJM kämpft im Land gegen rechtswidrige Gewalt und Machtmissbrauch durch die Polizei – mit zunehmendem Erfolg. Doch die Angst in der Bevölkerung vor der Polizei ist weiterhin allgegenwärtig.
Klima der Unsicherheit
Vielen Menschen, die in Kenia in Armut leben, gilt die Polizei nicht als „Freund und Helfer“. Vielmehr leben sie mit der Angst, wie in der Geschichte von David Makara von korrupten Polizeibeamten ausgeraubt, misshandelt und willkürlich verhaftet zu werden. Denn ein Drittel der Menschen in Kenia haben im vergangenen Jahr eine Form von Machtmissbrauch durch die Polizei erfahren.
In vielen Fällen zählt dazu die Erpressung von Schmiergeldern – oft unter Anwendung brutaler Gewalt. Betroffene sind häufig einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Sind sie nicht in der Lage zu zahlen, werden sie willkürlich verhaftet und mitunter jahrelang für ein Verbrechen ins Gefängnis gesperrt, das sie nicht begangen haben.
Korrupte Polizeibeamte bedienen sich dieser Methode auch, um Ermittlungserfolge in unaufgeklärten Gewaltverbrechen für sich zu behaupten. Die tatsächlichen Kriminellen aber bleiben auf freiem Fuß, wodurch die Rate der Gewaltverbrechen im Land ungehindert steigt.
Ins Visier dieser Praxis geraten überwiegend junge Männer aus armen Verhältnissen und mit geringer Bildung. Meist sind sie für das Einkommen ihres Haushalts verantwortlich, sodass eine rechtswidrige Verhaftung ihre Familien unweigerlich in existenzielle Nöte stürzt.
Dennoch schreckt die Bevölkerung davor zurück, Rechtsbrüche durch die Polizei zur Anzeige zu bringen. Die Angst vor Vergeltung ist zu groß.
Historische und strukturelle Auslöser
Die Wurzeln des Problems rechtswidriger Polizeigewalt finden sich unter anderem in dem kolonialen Erbe vieler Länder, so auch in Kenia. Von den Kolonialmächten wurde die Polizei in erster Linie als Schutztruppe der Kolonialherren aufgebaut.
Entsprechend war es nicht das Ziel, eine Institution zum Schutz und für die Sicherheit der Bevölkerung zu schaffen. Nach dem Ende der Kolonialzeit wurde die paramilitärische Struktur der Polizei, die primär auf den Schutz der Mächtigen ausgerichtet ist, beibehalten.
Foto: NTV News
Daneben begünstigen eine unzureichende Ausbildung in professionellen Ermittlungsmethoden und das Fehlen praktisch jeder Rechenschaftspflicht für Polizeibeamte ein fatales Klima für Machtmissbrauch und Gewalt durch die Polizei. So wurden seit 2007 über 750 Personen aufgrund von Polizeigewalt als getötet oder vermisst gemeldet.
Die Pandemie verschärft das Problem
Zuletzt führten Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie im Jahr 2020 zu erschreckenden Ereignissen. Während des Lockdowns gingen bei der unabhängigen Polizeiaufsichtsbehörde zahlreiche Beschwerden zu tätlichen Angriffen, Schießereien, sexuellen Übergriffen, Schikanen, Zwangsquarantäne und menschenunwürdiger Behandlung durch Polizeibeamte ein.
Bis Ende 2020 forderten missbräuchlich angewandte Polizeibefugnisse zur Durchsetzung von Ausgangssperren und unverhältnismäßige Gewalt 24 Todesopfer unter der Bevölkerung – darunter auch Kinder.
Hoffnung auf Veränderung
Vor diesem Hintergrund unterstützt IJM die Regierung von Kenia dabei, das eigene Rechtssystem zu stärken. Unser Ziel ist es, dass die Polizei des Landes zu ihrer Verantwortung steht, für Recht und Sicherheit der Menschen zu sorgen. Dazu bauen wir auf eine enge Kooperation mit den Polizeiaufsichtsbehörden, den Justizbehörden, zivilgesellschaftlichen Einrichtungen für Betroffene und mit den kenianischen Medien.
Gleichzeitig setzen sich Anwältinnen und Anwälte von IJM gemeinsam mit den zuständigen Behörden zunehmend erfolgreich vor Gericht in Fällen von rechtswidrigem und menschenverachtendem Verhalten durch die Polizei ein.
Ihr Engagement hat nicht nur zur Freilassung Unschuldiger geführt, sondern auch dazu, dass kriminelle Polizeibeamte zum ersten Mal in der Geschichte Kenias zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Entscheidende Rechtsprechung, die von zukünftigen Verfehlungen abschrecken kann.
Das kenianische Justizsystem hat das Problem erkannt und es wird ernst genommen. Unserer Ansicht nach, zeichnet sich ein Wendepunkt ab, an dem eine Ära der Straflosigkeit von einer Ära der Sicherheit abgelöst werden könnte. Doch der Weg dorthin ist noch nicht am Ende.
Erst wenn die Polizei in Kenia sichtbar Verantwortung und Rechtsstaatlichkeit übernimmt und so Vertrauen in der Öffentlichkeit aufbaut, kann sie den Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft gewährleisten.
Mit unserer Arbeit in Kenia werden wir diesen Weg auch weiterhin aktiv begleiten. Dabei sind wir auf Deine Hilfe angewiesen.
Mit Deiner Unterstützung können wir ...
- Regierungsbehörden dazu beraten, Verbesserungen zu entwickeln, um Betroffene vor Polizeigewalt zu schützen,
- Angehörige aus Polizei und Justiz zum Thema rechtswidrige Polizeigewalt schulen,
- Betroffenen kostenfreien Rechtsbeistand zur Verfügung stellen und ihnen und ihren Familien Unterstützung bieten, die von Trauma-Bewältigung bis zu physischer Sicherheit reicht.