odson wuchs mit seiner Mutter und acht Geschwistern an der Küste Ghanas auf. Als er sieben Jahre alt war, bot sein Onkel an, ihn zu sich zu nehmen und zur Schule zu schicken. Seine Mutter willigte dankbar über die Entlastung zu Hause ein. Auch Godson freute sich, bald in die erste Klasse zu gehen. Doch als Godson in dem Fischerdorf, wo sein Onkel lebte, ankam, stellte er fest, dass es gar keine Schule gab.
Erschöpft und hungrig nach 12 Stunden Arbeit
Am nächsten Morgen fand er heraus, dass sein Onkel andere Pläne für ihn hatte. Er weckte Godson um 4 Uhr in der Frühe und führte ihn im Dunkel der Nacht an das Ufer des Volta-Stausees. Seitdem fischte er jeden Tag mehr als 12 Stunden, sechs Tage in der Woche. Abends kehrte er erschöpft zum Abendessen zurück, seine einzige Mahlzeit am Tag. Wenn er die Arbeit verweigerte oder zu langsam ausführte, wurde er geschlagen. Godson sah keinen Ausweg. Sein Zuhause lag mehrere Stunden mit dem Bus entfernt und er wusste nicht, wie er alleine dorthin kommen konnte.
Zehntausende Kinder werden auf dem Volta-Stausee ausgebeutet
Mit 8.500 Quadratkilometern ist der Volta-Stausee der weltweit größte künstlich angelegte See. Zehntausende Kinder arbeiten dort in der Fischindustrie. Geschätzt werden 35.000 bis 50.000 Jungen und Mädchen wie Godson brutal zur Arbeit gezwungen. Die Kleinsten sind erst vier Jahre alt, die meisten gerade mal zehn Jahre. Sie tragen zerrissene Kleidung oder sind nackt. Ihre Körper sind gezeichnet von Gewalt, Ausschlag und offenen Wunden durch die harte Arbeit.

Der Tod lauert im Wasser
Godson und sein neuer Freund Yaw, der wie er versklavt wurde, mussten im See immer wieder tief tauchen. Denn der einst von dem Stausee überflutete Wald hinterlässt im Wasser abgestorbene Bäume, in denen sich die Netze verwirren. Für die Kinder ist das eine schwierige Aufgabe. Die meisten von ihnen können nicht richtig schwimmen und das Entwirren der Netze braucht oft viel Zeit unter Wasser. Gerade wegen ihrer kleinen Hände werden meist die Jüngsten zum Tauchen geschickt.
Eines Tages sprang Yaw ins Wasser, weil er ein Netz entwirren sollte. Er kehrte nicht zurück. „Niemand kennt die Ursache seines Todes“, erzählt Godson. „Aber wir haben alle seinen Leichnam gesehen. Danach war ich jedes Mal, wenn ich auf dem See war, voller Angst. Ich dachte, es hätte mir auch passieren können."
Der Tag, an dem das Rettungsboot kam
Trotz der Gewalt und Angst, die Godson jeden Tag erlebte, hörte er nie auf zu hoffen. Zehn Jahre hielt er unbeirrt daran fest, dass es eine bessere Zukunft für ihn gebe. Als er mitbekam, dass es ein Rettungsboot gibt, das nach Kindern wie ihm sucht, hielt er jeden Tag danach Ausschau. „Ich wünschte mir so sehr, dass das Boot eines Tages auch zu unserem Abschnitt auf dem See kommen würde,“ sagt Godson.

Im März 2015 kam endlich der Tag: IJM und die ghanaische Polizei befreite Godson und neun weitere Jungen. „Godson war nicht überrascht, als wir zu ihm kamen", sagt Adebayo, IJM Mitarbeiter in Accra, der Godson auf dem Rettungsboot empfing. „Es war fast so, als ob er uns erwartet hatte."
Mit 17 Jahren in der 1. Klasse
Godson und die anderen Jungen wurden in einer Nachsorgeeinrichtung in Sicherheit gebracht. Zusammen mit anderen Kindern, die ähnliches erlebt hatten, erholte er sich körperlich von der anstrengenden Arbeit. Durch eine psychosoziale Begleitung konnte er die schweren Erlebnisse auf dem See verarbeiten. Seine Angst fand endlich ein Ende. Begeistert ging er mit 17 Jahren zum ersten Mal zur Schule. Nebenbei machte er eine Sommerlehre in Elektrotechnik. IJM Mitarbeiter Kotei begleitete Godson in dieser Zeit und beschreibt ihn als sehr fleißig.
Endlich wieder vereint: Mutter und Sohn
Bald konnte auch Godsons Mutter ausfindig gemacht werden. Es gab ein freudiges Wiedersehen. Sie wusste nicht, was mit ihrem Sohn geschehen war und hatte sich verzweifelt bemüht, von ihm zu hören. Godson sagt heute, dass er sich manchmal an das Leben auf dem See erinnert, aber nicht lange zurückdenkt. Er freut sich auf alles, was vor ihm liegt. Er möchte nicht in der Vergangenheit leben.

In diesem Video erzählt Leo Ackon, leitender Mitarbeiter aus Ghana, warum unser Einsatz weiterhin dringend ist für Kinder in Sklaverei auf dem Volta-Stausee: