Skype ist Geschichte, Kindesmissbrauch leider nicht: Wie Plattformen sich gegen den Missbrauch ihrer Dienste wehren können

Berlin (5.5.2025) – Am 5. Mai ist es soweit, eine Ära geht zu Ende: Skype wird abgeschaltet. International Justice Mission Deutschland macht auf die Rolle von Plattformen bei der sexuellen Ausbeutung von Kindern aufmerksam. Unternehmen sollten Verantwortung übernehmen und Kinderschutz als festen Bestandteil ihrer Technologien mitdenken – und durch klare gesetzliche Rahmenbedingungen dabei unterstützt werden.

Seit 2003 ertönt der eingängige Klingelton auf der ganzen Welt. Chatten und telefonieren, und zwar kostenlos, in Echtzeit über das Internet. Skype gehörte ohne jeden Zweifel zu einem der beliebtesten Video-Telefonie-Dienste und geht als Vorreiter seiner Zeit in die Geschichte ein. Schließlich hat sich mit “skypen” ein eigener Begriff für Echtzeit-Video-Anrufe in die deutsche Sprache geschlichen.

Jetzt schaltet Microsoft den Dienst endgültig ab. An den Erfolg der ersten Jahre konnte Skype aufgrund starker Konkurrenz von Google, Facetime, Zoom und Co. nicht anknüpfen. Im Hinblick auf das anstehende Ende des Dienstes kommentiert Dietmar Roller, Vorstandsvorsitzender der Menschenrechtsorganisation International Justice Mission Deutschland e. V. :

„Skype hat Millionen Menschen weltweit vernetzt, aber eben auch Täterinnen und Täter!”

Dietmar Roller nimmt dabei Bezug auf ein Verbrechen, das Europol als die häufigste Form der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern und eine der Hauptquellen für unbekannte Missbrauchsdarstellungen bezeichnet (Europol IOCTA 2024: S. 24): die sexuelle Ausbeutung von Kindern per Livestream. Sexualstraftäter weltweit kommunizieren online mit Menschenhändler/-innen (oft Familienangehörige oder nahen Verwandte der betroffenen Kinder) und bezahlen sie dafür, den sexuellen Missbrauch per Livestream zu übertragen – gesteuert durch Anweisungen der Täter in Echtzeit.

Die Täter auf der Nachfrageseite stammen aus aller Welt – auch aus Deutschland. „Deutschland belegt laut Internet Watch Foundation als Nachfrageland Platz 15 der Länder, die am meisten Missbrauchsdarstellungen hosten und Platz 6 der Länder mit verdächtigen Finanztransaktionen als Gegenleistung für live-gestreamten Missbrauch. Außerdem geben fast die Hälfte der deutschsprachigen Befragten einer Darknet-Studie an, bereits Missbrauch im Livestream verfolgt zu haben. Es besteht kein Zweifel: Deutsche Täter verursachen enormes Leid, hierzulande, auf den Philippinen und weltweit!, sagt Dietmar Roller


Die Rolle von Plattformen

Die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet ist ein globales Verbrechen. Um sich zu vernetzen, missbrauchen Täterinnen und Täter Messenger-Dienste, Plattformen und Livestream-Anbieter für ihre kriminellen Zwecke:

  • Ende vergangenen Jahres wurde ein Mann aus Köln wegen schweren sexuellen Missbrauchs per Livestream zu 11 Jahren Haft verurteilt (Artikel). Um die Gewalttaten an Kindern im Alter zwischen fünf Monaten und 15 Jahren live zu sehen, bezahlte er philippinische Menschenhändler/-innen – meist um die 30 Euro pro Livestream (Artikel).
  • Ein Mann aus Zürich ließ auf seine Anweisung hin 76 Kinder auf den Philippinen missbrauchen. Dafür zahlte er umgerechnet etwa 5.600 Euro (Artikel).
  • Ein 68-jähriger Brite gestand 2021 in 67 Fällen eine Mutter auf den Philippinen für die Übertragung des Missbrauchs ihrer 6-jährigen Tochter bezahlt zu haben (Artikel).
  • Nachdem ein 42-jähriger Amerikaner eine philippinische Frau über eine Dating-Seite kennen gelernt hatte, zahlte er ihr bald Geld, um nach seinen Wünschen Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs zu erhalten (Artikel).
  • Über viereinhalb Jahre zahlte ein Mann aus einem Vorort von Sydney etwa 36.000 Australische Dollar (knapp 20.300 Euro), um sich den Missbrauch von zwei Mädchen in Echtzeit anzuschauen. Die Mädchen waren zwei und sieben Jahre alt als der Missbrauch begann (Artikel).

Was alle diese Fälle gemeinsam haben? Täterinnen und Täter nutzten Skype und ähnliche Plattformen aus und missbrauchten Kinder in Echtzeit über die Video-Anruf-Funktion des Dienstes. “Unternehmen sollten die Gefahren und Missbrauchsmöglichkeiten ihrer Produkte und Dienste von Anfang an mitdenken und dann entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen”, sagt Roller.


Neue Technologien: Chancen und Risiken

Die gleichen Plattformen, die wir nutzen, um uns mit Freunden und Familie auszutauschen oder den Ausblick aus dem Fenster der Ferienwohnung zu teilen, werden für den Missbrauch von Kindern genutzt”, so Roller.

Diesem Dilemma können Internetdienstanbieter nur entgehen, wenn sie gewillt sind, in effektiven Kinderschutz zu investieren und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. So ist es Unternehmen aktuell nur noch aufgrund einer Übergangs-Verordnung möglich, überhaupt freiwillig gegen Darstellungen sexuellen Missbrauchs vorzugehen. Viele Unternehmen, die Kommunikationsdienste anbieten, wollen sicherstellen, dass Kinder auf ihren Diensten sicher sind und sie nicht für missbräuchliche Zwecke genutzt werden.

Im Sommer 2022 forderte die Kommissarin für Online-Schutz (e-Safety Commissioner) der australischen Regierung eine verpflichtende Transparenzmitteilung von Skype an. Das Unternehmen sollte darstellen, was es gegen sexuelle Ausbeutung und sexuellen Missbrauch von Kindern auf seiner Plattform unternimmt. Die Antwort zu livegestreamtem Missbrauch fällt ernüchternd aus: Es wird nichts unternommen (eSafety Commissioner 2022: S. 15).

„Die Technik entwickelt sich weiter und wird immer häufiger für missbräuchliche Zwecke genutzt, besonders für die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Internet. Jetzt ist die Zeit, etwas dagegen zu unternehmen und moderne Technologien zum Schutz von Kindern einzusetzen. Viele Lösungsansätze stehen uns bereits heute zur Verfügung. Wir sollten jetzt Unternehmen verpflichten, diese auch einzusetzen und unsere Gesetze an die technologische Realität von Verbrechen anpassen“, sagt Roller. Hierfür ist es vor allem wichtig, Rechte und Pflichten von Internetdienst- und Kommunikationsanbietern gesetzlich festzulegen. Unternehmensverantwortung und Sorgfaltspflichten sollten auch für den digitalen Raum gelten. Um Alice (Pseudonym), eine Betroffene von sexueller Ausbeutung im Internet, zu zitieren: “Livestreaming von sexuellem Kindesmissbrauch sollte bereits zu Beginn der kriminellen Aktivität aufgedeckt werden. Wenn möglich, sollten Anwendungen, die den Missbrauch nicht aufdecken, vom Netz genommen werden.


Bye, Skype. Hallo Kinderschutz!

Während wir uns also etwas nostalgisch von Skype verabschieden, einem Dienst der Chatten, Gamen und Video-Calls in eine neue Zeit begleitet und viel Freude, Gemeinschaft und Verbindung ermöglicht hat, sollten wir auch darüber nachdenken, wie ähnliche Plattformen in Zukunft sicherer werden können. Denn: “Eines ist sicher: Über Skype wird in Zukunft keine sexuelle Ausbeutung per Livestream mehr ermöglicht, aber Täterinnen und Täter werden weiter ziehen!”, sagt Dietmar Roller. Es ist an der Zeit, dass Kinder effektiv vor Ausbeutung geschützt werden. International Justice Mission ermutigt...

  • Tech-Unternehmen dazu, Verantwortung für ihre Dienste zu übernehmen,
  • alle zuständigen Akteure in der EU dazu, endlich einen langfristigen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der es Unternehmen ermöglicht gegen Darstellungen sexueller Ausbeutung vorzugehen,
  • die neue Bundesregierung dazu, sich entschlossen für die EU-Verordnung zur Prävention und Bekämpfung von sexuellem Missbrauch von Kindern einzusetzen. Deutschland hat die Chance die Verhandlungen im EU-Rat wieder in Richtung des effektiven Kinderschutzes zu bewegen.

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