Am 22. November lud IJM mit der Stopp Sklaverei Konferenz zu einer Fachtagung für Wirtschaft und Politik. Vertreter der Unternehmen Daimler, Ritter Sport, Shift, [eyd] Humanitarian Clothing und VIERI berichteten über Best Practices und diskutierten mit der Consulting-Firma twentyfifty, einem Grünen-Politiker und den Teilnehmern über aktuelle Herausforderungen. IJM-Mitarbeiterin Olga Martens berichtet über ihre Eindrücke.
Etwa 16 Millionen der 40,3 Millionen Menschen in Sklaverei werden in der freien Wirtschaft ausgebeutet. Damit betrifft das Verbrechen Sklaverei nicht nur deutsche Konsumenten sondern auch zahlreiche deutsche Unternehmen mit einem oftmals komplexen Netz aus globalen Zulieferern und Zu-Zulieferern. Es ist daher nicht einfach für sie, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine sklavenfreie Produktion sicherzustellen.
Wir bei IJM wollen genau aus diesem Grund Akteure zusammenbringen. So können wir Fortschritte hervorheben und einen Dialog ermöglichen, von dem alle profitieren. Wir haben in unseren weltweiten Projekten die Erfahrung gemacht, dass dieser Ansatz Entscheidungsträger ermutigt, Synergien schafft und Bewegung in über Jahrzehnte verfahrene Situationen bringt. Auch in Deutschland wollten wir einen Rahmen schaffen, in dem bereits existierende Best Practices von Unternehmen weitergegeben und Herausforderungen konstruktiv diskutiert werden können. Am 22. November luden wir daher im Stuttgarter wizemann.space zur Stopp Sklaverei Konferenz.
(V.l.n.r.) Carsten Waldeck (Shift), Nathalie Schaller ([eyd] Humanitarian Clothing), Moderatorin Rebekka Cuhls, Guya Merkle (VIERI) und Georg Hoffmann (Ritter Sport) diskutieren über ihre Motivation und verschiedene Ansätze, Menschenrechte in ihren Lieferketten zu fördern.
Es sind die Einzelpersonen, die Prozesse in Bewegung setzen
Besonders haben mich persönlich bereits bei der Vorbereitung mit den Podiumsgästen und dann während der Konferenz die Personen hinter den Unternehmen ermutigt. Engagiert und aus Überzeugung heraus arbeiten sie daran, dass ihr Unternehmen besser versteht und effektiver darin wird, Menschenrechte zu fördern und Ausbeutung zu verhindern.
So hörten wir die Geschichte von Guya Merkle vom Schmucklabel VIERI, die nach einem Besuch in einer Bergbaugemeinde in Peru entschied, nur noch mit ethisch korrektem und recyceltem Gold zu produzieren: ,,Ich war so berührt von der Art und Weise wie Gold abgebaut wird, und ich wusste sofort, dass das so nicht richtig war. So eine Ungerechtigkeit kann es in einer Industrie, die aus Gefühlen, Sehnsüchten und Luxus besteht, nicht geben."
Dann gibt es Carsten Waldeck von Shift, der mit seinem Familienunternehmen und der Produktion von fairen Smartphones das Ziel verfolgt: "So viel Gutes zu tun wie wir können und dabei so wenig Schaden wie möglich anzurichten."
Nathalie Schaller und ihr Modelabel [eyd] Humanitarian Clothing produzieren nicht nur schöne, faire und ökologische Kleidung. Unter dem Motto „Empower your Dressmaker“ bieten sie Frauen, die (teils von IJM) aus Zwangsprostitution befreit wurden, eine langfristige Perspektive durch eine Ausbildung und fair bezahlte Arbeit. Nathalie hatte das Modelabel gegründet, nachdem sie vor Jahren mit Betroffenen von Menschenhandel zu tun hatte und das Thema sie nicht mehr losließ.
Im zweiten Podium ging es um große Konzerne, deren Möglichkeiten, sowie die der Politik. Moderatorin Rebekka Cuhls (zweite von rechts) sprach mit Daniel Crampton (Daimler, links), Carolin Seeger (Senior Consultant bei twentyfifty), Michael Bloss (Bündis 90/Die Grünen). Hier zusammen mit IJM-Vorstand Dietmar Roller (rechts).
Wir hörten auch von Georg Hoffmann von Ritter Sport, wie das Familienunternehmen es als selbstverständlich sieht, aus Wertschätzung für Mensch und Umwelt heraus zu agieren. Ganz stolz ist das Unternehmen auf sein Projekt „El Cacao“, eine eigene Kakaoplantage in Nicaragua: ,,Unsere eigene Plantage soll zeigen, dass es möglich ist, Kakao unter anständigen sozialen und ökologischen Bedingungen anzubauen und das zu wettbewerbsfähigen Preisen."
Im zweiten Podiumsgespräch forderte Daniel Crampton von Daimler von seinem eigenen und anderen großen und etablierten Unternehmen: „Das Ganze ist mit mehreren zehntausend direkten Zulieferern sehr komplex. Die erste Herausforderung ist daher Transparenz – zu verstehen, wo die Materialien wirklich herkommen. Zweitens müssen Unternehmen die Achtung der Menschenrechte systematisch angehen und das Bewusstsein für das Thema hochhalten. Mit unserem Human Rights Respect System haben wir einen solchen Ansatz, den wir sowohl an den eigenen Standorten als auch in den Lieferketten schrittweise implementieren. Mit dem Human Rights Respect System prüfen wir systematisch potenzielle Menschenrechtsrisiken, definieren die erforderlichen Maßnahmen und evaluieren deren Umsetzung.“
Ein Ende von Sklaverei erfordert uns alle
Mich hat die Konferenz inspiriert, nicht zuletzt wegen der aktiv mitdenkenden und mitdiskutierenden Zuhörer. Denn bei IJM sind wir überzeugt, dass ein Ende von Sklaverei uns alle erfordert. Letztendlich können wir es als Konsumenten momentan (noch!) nicht vermeiden, in direkten Kontakt mit Ausbeutung zu kommen. Meiner Meinung nach bringt uns das alle in eine gewisse Verantwortungsposition.
Daher braucht es Menschen in Entscheidungs- und Gestaltungspositionen in Unternehmen, die dafür sorgen, dass Menschenrechte in ihren Lieferketten gefördert statt verletzt werden. Es braucht Politiker, die geeignete Regelwerke schaffen und dafür sorgen, dass Rechtssysteme Menschen schützen. Es braucht Medien, die über Fälle berichten und die nötige Öffentlichkeit schaffen. Und es braucht viele Einzelpersonen, die in ihrem Umfeld über Sklaverei informieren und die Arbeit von Organisationen wie IJM finanziell überhaupt erst möglich machen.